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Distanz © Frank Kleinbach

Bismarckturm, Stuttgart

Chris Nägele: »Distanz«

Wer den Weg hinaufspaziert, der sich am Rande des Stuttgarter Killesbergs in Richtung Bismarckturm schlängelt, hat den wuchtigen Turm fest im Blick. An seiner Talseite leuchtete in großen weißen Neonbuchstaben das Wort »Distanz«. In den Bäumen am Rand des Spazierweges flankierten in geschwungenen Neonschriftzügen die Begriffe »Weite« und »Ferne« die Szenerie.

Die Stuttgarter Künstlerin Chris Nägele arbeitet mit Neonröhren, einem Medium, das uns aus der Kultur der Leuchtreklamen zutiefst vertraut ist. Aus den Röhren geformte Leuchtbuchstaben werden zu materiellen Trägern von Botschaften. Im Gegensatz zu den Reklameslogans, die losgelöst vom konkreten Raum funktionieren, entfalten Nägeles Worte ihr Bedeutungsfeld jedoch erst im Kontext des Ortes. Der Begriff der »Distanz« passte zur wehrhaften Erscheinung der Turmarchitektur, die den Besucher auf Abstand hält.

Die den Wegesrand flankierenden Begriffe der »Ferne« und »Weite« verwiesen ebenso auf den Zustand des weit weg seins. Doch steckte in den gleichen Worten noch eine weitere Lesart: Es ist genau diese Ferne, die Distanz, die erst eine Erfahrung der Weite erlaubt. Wer den Berg erklommen hat, blickt plötzlich ins Tal.

Mit dem Wort »Distanz« wurde aber auch das Erleben der künstlerischen Intervention selbst zum Thema. Wie eine Fata Morgana erschien der Schriftzug vor dem Auge derer, die den Berg hinauf kamen, die Distanz schien gleich überwunden. Doch oben angekommen wurde offenbar, wie ungreifbar das Wort und mit ihm das Kunstwerk bei aller Nähe doch blieben. Wie die Lichtwerbung spielten die Leuchtbuchstaben Chris Nägeles mit der Unerfüllbarkeit des Verlangens, das ihr Schein weckt.

Die Künstlerin

Die Stuttgarter Künstlerin Chris Nägele, geboren 1960 in Pforzheim, ist gelernte Steinbildhauerin und hat freie Bildhauerei an der Kunstakademie Stuttgart studiert. Zu ihrem wichtigsten künstlerischen Mittel und Medium hat sie farbige Neonröhren gemacht, die sie selbst bläst. Die Künstlerin nutzt die  Neonröhren als frei modellierbares Material. Sie werden zu fragilen und intensiven Farbzeichnungen, die sich durch Räume bewegen, in Schubladen liegen oder den Kurven von Flussläufen und Rennstrecken folgen. Immer wieder werden die Neonröhren auch zu Schriftzügen. Dabei gilt das Interesse der Künstlerin dem Verhältnis von konkreter, sinnlich erfassbarer Sprachform und der zugleich ideellen, nicht fassbaren Ebene der Bedeutung, die flüchtig ist, wie das Neonlicht.

Herkunftsland

Deutschland

Website der Künstlerin

Der Ort

Der 20 Meter hohe, aus grauem Keupersandstein gebaute Bismarckturm im Stuttgarter Norden wurde 1904 zu Ehren des Reichsgründers Otto von Bismarck von den Studenten der damaligen Technischen Hochschule gestiftet. Er sollte mit Gedenkfeuern an den bekannten Deutschen erinnern. Von 1928 bis Ende der 1980er-Jahre wurde der Turm als Wasserspeicher genutzt. Wegen baulicher Mängel war der Turm lange Zeit gesperrt, 2001/02 erfolgte eine umfassende Sanierung. Wer die 92 Treppenstufen zur Plattform hinaufsteigt, wird mit einer herrlichen Aussicht belohnt.

Adresse

Am Bismarckturm 36
70192 Stuttgart