
Treppe vor der Konstanzer Kirche, Ditzingen
Erik Mátrai: »Porticus 3.0«
»Wir sind«, schreibt der ungarische Kurator Gabor Gulyas, »alle hoffnungslose Essentialisten: Hinter den Erscheinungen stellen wir uns immer etwas vor, das tiefer und grundsätzlicher ist als die Erscheinungen des täglichen Lebens«. Es geht um etwas, das in unserer Kultur der Oberflächen und Simulationen kaum zu fassen ist. Der ungarische Künstler Erik Mátrai dringt mit seinen sinnlich anmutenden Raumillusionen, die mit modernster, aber zugleich einfach gehaltener Video- und Lichttechnik entstehen, in genau diese Tiefensphären vor.
Solch flüchtige Situationen, die einen magischen Sog entfalten und doch als technische Artefakte erkennbar bleiben, sind die Säulen aus Licht und Nebel, die Erik Mátrai auf den Treppen vor der Konstanzer Kirche in Ditzingen realisierte. Parallele Lichtstrahlen strebten aus ringförmigen LED-Trägern in Richtung des offenen Himmels. Im Zusammenspiel mit Dunst entstanden fast immaterielle Gebilde, die an Architektur, an antike Säulen erinnerten.
Das Licht fungierte hier als physisches Material und raumorganisierendes Element. Gleichzeitig hatte es aber auch eine transzendentale Dimension. Durch die Nachbarschaft zur Kirche entstand ein Bezug zur sakralen Architektur. Als unerwartetes Portal im Außenraum erzeugten die Säulen einen Moment der Irritation.
Die Erschütterung, die einem beim Betrachten widerfuhr, kann als ein ästhetisches Ereignis beschrieben werden, das die gewohnte Nüchternheit des künstlichen Lichts unterläuft: Die ephemere Lichtinstallation wurde zu einem Moment der Verdichtung und Konzentration. Der Blick verlief entlang der Lichtsäulen in Richtung der unendlichen Weiten des Firmaments. Die Essenz, die hier erfahrbar wurde, ist das Flüchtige des Moments.
Der Künstler
Erik Mátrai wurde 1977 in Ungarn geboren und studierte Bildende Kunst in Budapest. In seinen Tafelbildern, Video- und Lichtinstallationen, die wiederholt religiöse Themen aufgreifen, kombiniert Mátrai neueste Technologien mit Sujets der klassischen Ikonografie. Ein elementarer Bestandteil seiner audiovisuellen Arbeiten sind die natürlichen Elemente und Phänomene wie Licht, Wasser, Feuer oder Nebel. Seine Arbeiten erforschen immer wieder den Umgang mit dem Raum. Unter anderem formte Mátrai 2013 in der Kirche San Lio in Venedig einen fragilen, nur in der Erscheinung vollständigen Globus: Einzelne ultraviolett erleuchtete papierene Rechtecke bildeten ein Halbrund, das nur in der Spiegelung in einem Wasserbecken zur Kugel wurde. Erik Mátrai lebt und arbeitet in Budapest.
Ungarn
Der Ort
Die Konstanzer Kirche in Ditzingen ist eine evangelische spätgotische Kirche. Der genaue Baubeginn ist nicht bekannt, jedoch wurde die Marienkirche um 1478 geweiht. Um die Kirche herum ist die alte Wehranlage noch gut zu erkennen. Im Norden befinden sich zudem die beiden Emporentreppen aus dem 17. Jahrhundert. Auffallend ist das Chorgestühl, das auf das Kloster Hirsau zurückgeht. Vom ursprünglichen Inventar sind das Kruzifix und zwei Buntglasfenster (1450) über der Orgel sowie eine Glocke (1459) erhalten.
Am Laien
71254 Ditzingen