
Landschaftreppe im Scharnhauser Park, Ostfildern
Mischa Kuball: »View Point«
Am oberen Ende der weitläufigen Landschaftstreppe im Ostfilderner Stadtteil Scharnhauser Park ließ der Düsseldorfer Künstler Mischa Kuball eine Treppe errichten. Diese Treppe auf der Treppe lud dazu ein, sich zu setzen. Sie wurde zur Tribüne und zum Ort des kollektiven Schauens, sie wurde zum »View Point«. Wer hier verweilte, wurde Teil einer zufälligen Gemeinschaft, die in die Ferne blickte. Am unteren Ende der Treppe fiel der Blick auf einen Lichtpunkt. Beim Begehen der Landschaftstreppe näherte man sich diesem blinkenden Lichtzeichen. Es war das Piktogramm eines Aussichtspunktes: ein weiterer »View Point«.
Es entstand ein Spiel mit dem Begriff des »View Point«, der wörtlich übersetzt ein »Blickpunkt« ist. »View Point« bezeichnet einen Aussichtspunkt, aber auch einen Standpunkt. Mit seinen verschiedenen Begriffsbedeutungen wurde der »Blickpunkt« im Scharnhauser Park zum Gegenstand der Betrachtung. Er war zugleich der konkrete Ausgangspunkt für das individuelle und kollektive Schauen. Vom Aussichtpunkt, der Treppe auf der Treppe, fiel der Blick auf die Situation vor Ort.
Wo sich heute das Wohnareal entlang der Landschaftstreppe erstreckt, wurden 1945 aus dem Militärgelände der NS-Zeit die »Nellingen Barracks« der US-Militärbasis. Als Standpunkt gab der »View Point« auch einen Blickwinkel vor: War vor kurzem noch die Bird-Eye-Perspektive der militärischen Helikopter für die Betrachtung des Areals maßgeblich, ist es heute der Blick der Anwohner auf die Schwäbische Alb.
Für Kuball ist Öffentlichkeit immer auch Labor, ein Raum der offenen Prozesse. Diese gilt es mit der künstlerischen Intervention zu stimulieren und in Bewegung zu bringen. Das zentrale Medium Kuballs ist hierbei das Licht. Am unteren Ende der Landschaftstreppe fungierte das Licht des Piktogramms als Impulsgeber für die Wahrnehmung. Die Blickpunkte im Scharnhauser Park lenkten den Blick auf das Gewohnte und eröffneten doch auch ganz andere Perspektiven.
Der Künstler
Mischa Kuball, geboren 1959 in Düsseldorf, arbeitet seit den frühen 80er Jahren, oft mit partizipatorischen Projekten im öffentlichen und institutionellen Raum. Das Licht fungiert dabei als aktivierender Impuls für die Erforschung, aber auch die Anregung sozialer und politischer Prozesse und Diskurse. Viel Aufmerksamkeit erlangte die Arbeit »Refraction House«. Für acht Wochen wurde die ehemalige Synagoge in Stommeln mit Licht geflutet und zu einem intensiv in die Umgebung zurückstrahlenden Lichtzeichen. Seit 2009 realisiert Mischa Kuball unter dem Titel »public preposition« eine Serie von Installationen, die den öffentlichen Raum in international sehr unterschiedlichen Kontexten zum Gegenstand der Betrachtung macht.
Deutschland
Helmut-Nanz-Stiftung zur Förderung von Kunst und Kunsterziehung
Württembergische Landesbühne Esslingen
Der Ort
Die 1.050 m lange und 40 m breite Landschaftstreppe verbindet die einzelnen Bereiche des Stadtteils Scharnhauser Park miteinander. Sie bildet eine Art Stadtmitte und bietet einen freien Blick auf die Schwäbische Alb. Säuleneichen begrenzen die Landschaftstreppe auf beiden Seiten. Über 48 abgestufte Felder passt sie sich dem Südgefälle des Geländes an. Ökologisch dient die Treppenfläche zudem der Sammlung des Regenwassers und als Rückhalteraum, in dem bei Überflutungen ein Teil des Wassers zwischengespeichert wird.
Bonhoefferstraße 4 (Standort Sitztribüne)
73760 Ostfildern