Der schwäbische Reformator
Johannes Brenz
Wilt du recht warlich dem himmlischen heer zuo tantz schlahen, darffst du nit mit wallen, feyren, opfferen oder dergleichen pfeyffen, sonder pfeyff mit besserung deines lebens nach dem willen Gotes. [Willst du dem himmlischen Heer zum Tanz aufspielen, dann darfst du nicht mit Wallfahrten, Feiern, Opfern oder dergleichen Musik machen, sondern mach die Musik mit der Besserung deines Lebens nach dem Willen Gottes.]
So predigte Johannes Brenz am Tag des Heiligen Jakob, dem 25. Juli, 1523 vor der sicher zahlreich erschienenen Gemeinde in St. Michael. Im Jahr zuvor, 1522, war er vom Rat der Reichsstadt Schwäbisch Hall zum Prediger berufen worden. Damals war Brenz erst 23 Jahre alt (geboren am 24. Juni 1499 in Weil der Stadt). Von 1514 bis 1522 hatte er in Heidelberg studiert und gelehrt, wo er auch 1518 Martin Luther begegnet war. Das Zusammentreffen und die Diskussion mit dem Wittenberger Reformator wurde prägend für seinen weiteren Lebensweg.
Kraft und Inspiration schöpft Johannes Brenz aus dem starken Wunsch nach einem moralisch besseren Leben, wofür äußere Hilfsmittel wie Wallfahrten oder Messen, Heilige, Ablässe und »gute Werke« keine Rolle mehr spielen. Jeder Christ (Mann oder Frau) ist für sich selbst verantwortlich und auf sich selbst verwiesen.
Zugleich prägen den Reformator Fröhlichkeit und Optimismus, wie der eingangs zitierte Ausspruch zeigt. Der Himmel tanzt zur Musik, die aus dem guten Leben der christlichen Gemeinde entsteht.
Um dieses bessere Leben zu erlangen, stieß Johannes Brenz in den folgenden Jahren eine Fülle von Veränderungen an. Der Auflösung des Haller Franziskanerklosters 1524 folgte an Weihnachten 1526 das erste evangelische Abendmahl. In einem ausführlichen Entwurf zur Ordnung von Kirche und Schulen der Reichsstadt schlug er umstürzend Neues vor: Alle Kinder (Jungen wie Mädchen) sollten öffentliche Schulen mit von der Stadt besoldeten Lehrern besuchen; sie sollten Lesen und Schreiben lernen, um zu nützlichen Bürgern und Bürgerinnen werden zu können. Der Reformator selbst schuf mit dem kleinen Katechismus das grundlegende Schulbuch.
Erstmals von der Stadt Schwäbisch Hall geordnet wurde das Ehe- und Familienrecht (vor der Reformation unterlagen diese der Rechtsprechung der Kirche). Ehen durften nur mit Zustimmung der Eltern geschlossen werden, konnten dafür aber auch geschieden werden.
Schon seit Mitte der 1520er-Jahre wirkte Johannes Brenz auch als Berater außerhalb von Schwäbisch Hall. Die Reformation im Kraichgau, in der Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach und in der Reichsstadt Nürnberg verdankt Brenz wesentliche Impulse. Zentral aber wurde für Brenz die Neuordnung der Kirche im Herzogtum Württemberg nach 1535. Er arbeitete an den wesentlichen Gesetzen mit und baute vor allem die neue evangelische theologische Fakultät an der Universität Tübingen auf. Für ein Jahr (1537–1538) lehrte er dort.
1548 musste Johannes Brenz – auf Druck des katholischen Kaisers Karl V. – Schwäbisch Hall endgültig verlassen. Nach Jahren der Flucht und des Versteckens fand er in Württemberg eine neue Anstellung. 1553 wurde er Propst der Stiftskirche in Stuttgart und damit einer der Leiter der neuen evangelischen Landeskirche (nachgeordnet nur dem Herzog). Einen Meilenstein bildete die Große Württembergische Kirchenordnung von 1559, die die Angelegenheiten von Kirche und Schule, Armenwesen und medizinischer Versorgung regelte. Als Johannes Brenz am 11. September 1570 in Stuttgart starb, war Württemberg dank seines Wirkens zum Modell eines gut geordneten evangelischen Staates geworden.
Von Dr. Andreas Maisch – Er studierte Geschichte und Germanistik in Tübingen, Bordeaux, Bielefeld und Paris und absolvierte eine Ausbildung im höheren Archivdienst. Seit 1993 leitet er das Stadt- und Hospitalarchiv Schwäbisch Hall. Er hat zur Landesgeschichte Württembergs und zur Stadtgeschichte Schwäbisch Halls publiziert.
Inspirierende Orte und Fakten

Johannes Brenz (1499–1570) hatte schon früh Martin Luther kennengelernt und war von seinen Lehren begeistert. Er trieb die Reformation in Schwaben voran. Die Struktur der Evangelischen Landeskirche Württemberg geht noch heute auf ihn zurück.
24. Juni 1499 in Weil der Stadt
Jonathan Bali, Merz Akademie Stuttgart