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Auf dem Weg ins Neuland

Gottlieb Daimler

Als am 17. März 1834 ein Säugling namens Gottlieb erstmals brüllend auf sich aufmerksam macht, gilt die Postkutsche noch als Maß aller Dinge. Doch dann dreht sich der Wind, und das Dichter- und Denkerland erfindet sich neu: als Land der Tüftler und Lenker. Wie aber ist aus dem kleinen Gottlieb jener große Daimler geworden – jener Mann, der durch die Erfindung des Automobils für immer die Mobilität revolutioniert und die Geschichte der Region Stuttgart geprägt hat?

Gottlieb Daimler wächst im württembergischen Schorndorf als Sohn eines Bäckermeisters auf. Auf den Straßen sieht er Hunger und Not, Württemberg ist kein Muster-, sondern ein Entwicklungsland. Noch spricht niemand von Bildungskarrieren, aber der junge Gottlieb Daimler brennt vor Ehrgeiz und sitzt auch sonntags im Unterricht. An diesem Tag besucht er die Zeichenschule – mit präzisem Strich bringt er Käfer, Gottesanbeterinnen und Hirsche zu Papier. Seine Zeichnungen zeigen jedem Betrachter auf den ersten Blick, wie der Junge tickt: Er versucht, die Wirklichkeit in all ihrer Komplexität zu erfassen, kein Fühler oder Härchen entgehen seinem Auge. Schon beim Zeichnen gibt sich Gottlieb Daimler erst dann zufrieden, wenn er glaubt, das Wesen der Dinge erkannt zu haben.

Gottlieb Daimler wächst in einer Zeit auf, in der weder Auslandssemester noch Stipendien zum Standard an den Universitäten gehören. Wer besondere Erfahrungen machen will, muss sich in außergewöhnlicher Weise dafür anstrengen. Diesen Ehrgeiz zeigt der junge Mann früh, er macht erste Erfahrungen in einer Maschinenfabrik im Elsass, er geht nach England, um in Leeds und Manchester jene Orte mit eigenen Augen zu sehen, an denen der Fortschritt unbarmherzig Fahrt aufnimmt.

Der Schritt ins Ausland ist für ihn, der in der württembergischen Provinz aufgewachsen ist, ein Schritt ins Ungewisse. Es zeichnet den Charakter von Gottlieb Daimler aus, dass er zeitlebens immer wieder solche Schritte wagt.

Wenn er an etwas unbedingt glaubt und von einer Sache überzeugt ist, dann wechselt er den Arbeitgeber und den Lebensmittelpunkt, er nimmt Risiken in Kauf und finanzielle Unwägbarkeiten. Auch wenn er – wie bei der Gasmotorenfabrik in Köln-Deutz – Erfolg hat, streitet er sich lieber, als sich von seinen Zielen abbringen zu lassen. Die Erfolgsgeschichte des Gottlieb Daimler ist keine Geschichte fortlaufender genialer Einfälle und Sensationen – es ist die Geschichte eines Mannes, der daran glaubt, dass viele kleine Schritte notwendig sind, um große Ziele zu erreichen. Einmal schreibt er in einem Brief: Es sei doch in Wahrheit so, dass das Glück einem Werkstück ähnele, an dem man sein ganzes Leben lang feile. Wenn ihm dabei die Geduld auszugehen drohe, beginne er das Wort »Beharrlichkeit« zu buchstabieren.

Bevor Gottlieb Daimler 1886 zum ersten Mal selbst eine motorisierte Kutsche fährt, hat er vieles verloren: Freunde, Geschäftspartner, seine Gesundheit. Nur eines hat er zeitlebens nie eingebüßt: seine Überzeugung, auf einem sehr langen Weg niemals aufzugeben.

 

Von Erik Raidt – Er arbeitet als Redakteur bei der Stuttgarter Zeitung. Dort ist er für seine Kolumnen und Reportagen bekannt. 2014 erschien sein Buch »Gottlieb Daimler und Robert Bosch – Von hier aus wird ein Stern aufgehen«.

Inspirierende Orte und Fakten

Der Schorndorfer Gottlieb Daimler (1834-1900) glaubte an die Perfektion. Mit Lust und starkem Willen werkelte und experimentierte er in seinem umgebauten Cannstatter Gewächshaus. Heraus kam der erste schnelllaufende Benzinmotor - die Geburt des Automobils war vollbracht.

Geburt

17. März 1834 in Schorndorf

Plakatgestaltung

Lisanne Knoch, Franziska Sessle, Akademie der media Stuttgart