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Priester am Buch der Natur

Johannes Kepler

Johannes Kepler (1571-1630) hat durch seine astronomischen, optischen und mathematischen Erkenntnisse das naturwissenschaftliche Wissen der Neuzeit mitbegründet. Mit den drei Keplerschen Gesetzen und der damit zusammenhängenden Physikalisierung der Astronomie hat er die Himmelsmechanik vorbereitet. Doch war Kepler als überragender Naturforscher zugleich auch ein zutiefst religiöser Mensch.

In der katholischen Kirche der Freien Reichsstadt Weil getauft, in der lutherischen Lehre württembergischer Prägung erzogen, studierte er evangelische Theologie an der Universität Tübingen, ohne jedoch das Studium abzuschließen. In späteren Jahren wurde er mit dem Vorwurf, er würde sich halb papistisch, halb calvinistisch verhalten, vom Abendmahl ausgeschlossen. So stand Kepler, von der konfessionellen Unduldsamkeit seiner Zeit zutiefst betroffen, zwischen den zerstrittenen Konfessionen. Als ein um steten Ausgleich bemühter Mensch sehnte er nichts so sehr herbei wie den Frieden zwischen den verfeindeten Parteien, den Katholiken, Lutheranern und Calvinisten in der »dreifachen Dissonanz gegeneinander tönender Stimmen«.

Von Anbeginn an ist Keplers Denken und Forschen von einem tiefen religiösen Glauben erfüllt, und dieser Glaube wird für ihn von zwei Schriften göttlichen Ursprungs gespeist: von der Heiligen Schrift und von dem »Buch der Natur«. Dieses Buch möchte er durch die Naturerforschung besonders in der Astronomie aufschlagen und es zum Ruhm des Schöpfers und seiner Schöpfung den Menschen erschließen:

»Ich wollte Theologe werden, lange war ich in Unruhe. Nun aber seht, wie Gott durch mein Bemühen auch in der Astronomie gefeiert wird; sind wir Astronomen doch Priester des höchsten Gottes am Buch der Natur.«

Der Anschauung Keplers nach ist das gesamte Universum, vom Mikrokosmos an, dem naturhaft Kleinsten, bis hin zum Makrokosmos, dem kosmologisch Größten, sinnvoll geordnet. Alles ist durch eine wunderbare Harmonie der geometrischen Größen, der musikalischen Intervalle oder der physikalischen Bewegungsabläufe gekennzeichnet.

Überall in der Natur ist das Wirken einer höheren Macht präsent: Der Schöpfer hat jeden Organismus, alles Lebendige beseelt, und selbst dem anorganisch Stofflichen wird bei seiner Gestaltung eine innere Struktur zuerteilt und eine äußere Form aufgeprägt.

Die Harmonie der Welt zu erkennen, ist die eigentliche vorwärtsweisende Motivation der wissenschaftlichen Forschungen Keplers gewesen. Ihre leitende Grundannahme liegt in der Vorstellung, dass der Schöpfer von Anbeginn der Welt mathematische Größen als Urbilder oder Archetypen in sich getragen hat, die in die menschliche Seele übergegangen sind, wodurch der Mensch die Gesetze der physischen Welt erkennen und mittels der Mathematik darstellen kann. Daher ist die Erkenntnis der Gesetze der Natur für Kepler ein religiöser Akt. Naturwissenschaft ist auch Priesterdienst.

Sein langjähriges Forschen hat schließlich zu dem ersehnten Erfolg geführt. Kepler weiß sich am Ende erfüllt von der Erkenntnis, die Harmonie der Welt in den harmonisch aufeinander abgestimmten Planetenbewegungen gefunden zu haben: Die himmlischen Bewegungen sind den konsonanten musikalischen Intervallen entsprechend eingerichtet, so dass ihre Gesamtharmonie als eine fortwährende mehrstimmige, freilich unhörbare Musik erklingt. Im Bewusstsein dieser Erkenntnis findet Kepler die demutsvollen Worte:

»Ich sage Dir Dank, o Gott, weil Du mir Freude gegeben hast an dem, was Du gemacht hast, und ich frohlocke über die Werke Deiner Hände. Ich habe ihre Herrlichkeit, so viel von ihrem unendlichen Reichtum mein enger Verstand erfassen konnte, den Menschen geoffenbart.«

 

Von Volker Bialas - Er ist Mitherausgeber der Johannes-Kepler-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München. Die Erforschung der Ideenwelt Johannes Keplers steht im Zentrum seiner Forschungstätigkeit.

Inspirierende Orte und Fakten

Johannes Kepler (1571-1630) gilt als einer der bedeutendsten Mathematiker und Astronomen der frühen Neuzeit. Hinter seinem Schaffen steht ein ganzheitliches Weltbild: Der Entdecker der Planetengesetze war auch Theologe und durch seinen Glauben geprägt.

Geburt

27. Dezember 1571 in Weil der Stadt

Plakatgestaltung

Laura Raab, Andrea Romanessi, Marius Rother, Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd