Ein Praktiker mit Sinn fürs Schöne
Der Baumeister Heinrich Schickhardt
Heinrich Schickhardt wurde am 5. Februar 1558 in Herrenberg in eine Kunstschreiner-Familie hinein geboren. Sein Großvater Heinrich der Ältere war der Meister des spätgotischen Chorgestühls der Herrenberger Stiftskirche. Wie damals üblich, erlernte der spätere Baumeister das Schreinerhandwerk wie seine Vorfahren.
Nach der Meisterprüfung 1578 trat er in den Dienst des Hofarchitekten Georg Beer in Stuttgart. Hier fertigte er zunächst Visierungen, also Modelle an. Zusammen mit Beer arbeitete er als Bauleiter zum Beispiel am Lusthaus in Stuttgart, am Collegium in Tübingen und am Kloster in Hirsau. So machte er sich schnell unentbehrlich und bekam erste selbstständige Aufträge: Er plante 1579 das Schloss in Stammheim oder 1586-1589 die Nordfassade des Alten Rathauses in Esslingen am Neckar. Bereits 1584 heiratete er. Herzog Friedrich I. berief ihn mehrfach nach Montbéliard, und er beauftragte ihn 1596 mit der Anlage des heutigen Schillerplatzes in Stuttgart, 1598 mit der Errichtung der Vorstadt von Montbéliard. Schickhardt unternahm 1598 bis 1600 zwei Italienreisen. Die zweite mit seinem Herzog. Und diese beschrieb er in einer Veröffentlichung: »Raiß in Italien« von 1602. Aus Italien nahm der Baumeister des Herzogs wichtige Skizzen und Anregungen mit, die er zu Hause anwenden konnte. Auf diese Weise brachte er die Renaissance nach Württemberg. In dieser Zeit konnte Schickhardt nunmehr als Architekt viele große Projekte verwirklichen, zum Beispiel die Stadt Freudenstadt und das Schloss in Backnang.
Im Jahre 1608 starb Herzog Friedrich I. und sein Nachfolger Johann Friedrich ernannte Schickhardt zum Hof- und Landbaumeister.
Er baute Mühlen, Hammerwerke, Keltern, Wasser- und Abwasserleitungen, Brunnen, Kanäle, Schleusen, Brücken, Festungsanlagen, den Seeburger Kanal bei Urach, Wasserräder, Schöpfwerke, weitere Kirchen, Kirchtürme und Pfarrhäuser, Schlösser, Gärten und verschiedenste Gebäude.
Heinrich Schickhardt war ein unermüdlich arbeitender Mann. Sein Bestreben war es, dem Land und seinem Herzog zu dienen. Seine Frömmigkeit erscheint regelmäßig in seinen Anmerkungen: »Der liebe Gott möge dieses Haus und was darinnen ist, samt dem Land und der ganzen Christenheit gnädig behüten. Amen. Amen.« Besonders lagen ihm Neubauten und die Verbesserung von Kirchen am Herzen. Und so führte er einen neuen Kirchentyp ein, eine querstehende Hallenkirche ohne Chor, mit einer Kanzel in der Mitte, ganz nach den Bedürfnissen der protestantischen Kirche. Seine Kirchen in Freudenstadt, in Montbéliard und in Göppingen entsprachen diesem Schema. Dabei ließ er sich von dem römischen Architekten Vetruv sowie dem französischen Hugenotten Jaques Perret inspirieren.
Heinrich Schickhardt war zweifellos ein genialer Baumeister und Ingenieur, aber theoretische Hirngespinste waren ihm fremd. Er war ein Praktiker mit großem zeichnerischen Talent.
Von Eckard Christof – Er ist Gemeindearchivar von Bad Boll und hat in mehrjähriger Arbeit gemeinsam mit André Bouvard und Charles Zumsteeg das von Heinrich Schickhardt geführte Verzeichnis seiner Werke und Güter bearbeitet und die Einträge in der Sprache des 17. Jahrhunderts ins moderne Deutsch »übersetzt«.
Inspirierende Orte und Fakten

Der Renaissance-Baumeister Heinrich Schickhardt (1558-1635) hat das architektonische Bild der Region geprägt wie kein anderer. Inspiriert wurde er auf seinen Reisen durch Italien. Ganze Städte stampfte er aus dem Boden. Dabei blieb er immer seinem Herzog treu.
5. Februar 1558 in Herrenberg
Sina Bormüller, Leonhard Limpert, Gentiana Qovanaj, Moritz Rodermund, Hochschule Macromedia, University of Applied Sciences Stuttgart