Frank Ulmer

»Schaffen Worte Wirklichkeit?« Sprache im Kontext der Nachhaltigen Entwicklung

»Man könnte bilanzieren: Seit Rio (1992) ist nichts so nachhaltig wie das Reden und Schreiben über ›nachhaltige Entwicklung‹ oder ›Sustainable Development‹ (SD) und gleichzeitig nichts so aussichtslos wie der Versuch, den Begriff konsensfähig und allgemeinverbindlich zu definieren« (Jüdes 1997).

Mit diesen bitteren Worten beginnt eine kritische Analyse in der Zeitschrift »Politische Ökologie« über die bisherige Nachhaltigkeitsdebatte in Deutschland. Wird der inflationäre Gebrauch des Wortes »Nachhaltigkeit« dazu führen, dass wir nur noch mit einer Worthülse alles, was uns edel, hilfreich und gut erscheint, unter einen Begriff fassen wollen? Kann man mit diesem Begriff noch junge Menschen ansprechen oder löst er nur noch ein mattes Gähnen aus?

Umfassend setzte sich Grober (2013) in »Die Entdeckung der Nachhaltigkeit« mit dem Begriff auseinander. Nach einem Streifzug durch die Geschichte kommt er zu der Prognose, dass der Begriff erhalten bleiben und immer wieder in neuem Kontext betrachtet werden wird. »Überall in der Welt tritt [das Wortfeld rund um Nachhaltigkeit] in die Alltagskultur ein, verbindet sich dort mit sinnlichen Erfahrungen und gewinnt selber eine sinnliche Qualität« (Grober 2013). Heutzutage spreche man beispielsweise von LOHAS (lifestyle of health and sustainabilty) und vitalisiere das alte Wort durch die Verknüpfung mit Gesundheitsthemen.

Das zeigt aus meiner Sicht, dass sich das Experimentieren mit Sprache und der Kraft von Worten, wie es im Projekt #sprichklartext in so kreativer Weise ermöglicht wird, lohnt. Denn Worte können mehr sein als Wissensvermittler und Labels. Worte stiften Kultur.

Im Projekt #sprichklartext geht es genau darum: Zu ergründen, was Worte bewirken können, Nachhaltigkeitsthemen in Worte zu packen, die mehr als nur Informationen transportieren und mal Klartext darüber zu sprechen, was Nachhaltigkeit für Dich und mich bedeutet.

Meine langjährige Erfahrung als Projektkoordinator der Jugendinitiative der Nachhaltigkeitsstrategie Baden-Württemberg hat gezeigt, dass es auf Interaktivität, Emotionen und Ideenaustausch ankommt, wenn man insbesondere junge Menschen für eine Sache begeistern will. Sprache kann in diesem Kontext also dem Austausch dienen, Emotionen hervorrufen und Begeisterung stiften!

Unter diesem Blickwinkel ist #sprichklartext genau das, was die Nachhaltigkeitsdebatte braucht: Emotion statt trockener Fakten, Austausch und die Suche nach der individuellen Bedeutung des inzwischen so vielfach genutzten Begriffs »Nachhaltige Entwicklung«.
 

Frank Ulmer ist Experte für Nachhaltige Entwicklung. Unter anderem hat er die Landesregierung beim Aufbau der Jugendinitiative der Nachhaltigkeitsstrategie Baden-Württemberg beraten.