Kunstprojekt "Die Insel" von Christian Hasucha beim Festival „Unter Beobachtung“ der KulturRegion Stuttgart 2020

Ditzingen

Christian Hasucha: »Die Insel«

Eine kleine grüne Insel schwebte über dem Ditzinger Rathausplatz. Auf einem kreisrunden, von Metallstützen getragenen Podest, erhob sich drei Meter über dem Boden ein künstlicher Rasenhügel. Der Berliner Installationskünstler Christian Hasucha hatte diese ungewöhnliche Ergänzung in der Ditzinger Stadtlandschaft vorgenommen. Hasucha selbst war dort zu Beginn des Festivals anzutreffen. Immer wieder mal kletterte er auf den Hügel, packte sein Frühstück aus und blättert durch die Tageszeitung. Auch am Abend kam er vorbei. Mal sah man ihn gemütlich auf seiner Decke dösend, mal unterm Sonnenschirm in ein Buch vertieft.

Wer über den Ditzinger Rathausplatz schlenderte, kam nicht umhin, die grüne Insel und ihren Bewohner wahrzunehmen. Was tut er da? Und warum? Während die einen ins Grübeln gerieten, versuchten die anderen, sich in ihren Alltagsgeschäften nicht stören zu lassen und über den Fremdkörper hinwegzusehen. Seit vielen Jahren experimentiert Christian Hasucha mit Interventionen im öffentlichen Raum. Seine montageartigen Eingriffe lassen bekannte Orte plötzlich fremd erscheinen. In eine durch Routine geprägte Umgebung kommt wieder Bewegung. Durch Störungen verschiebt Hasucha das gewohnte Bild, markiert bestimmte Stellen in der Stadt und macht Orte so neu wahrnehmbar.

Dem grau gepflasterten Rathausplatz pfropfte Hasucha eine Grünfläche auf. Er öffnete eine zweite Realitätsebene, nur wenige Meter über dem Boden. Durch den künstlerischen Akt ergänzte er das Gewohnte um eine Alternative. Als Künstler mischt sich Hasucha ins örtliche Leben ein, eignet sich temporär den Stadtraum an. Er fordert nicht nur die vorgefundene architektonische und soziale Situation heraus, sondern gibt einen Impuls, sich auf etwas Neues einzulassen. Seine Störungen der gewohnten Ordnung sind dabei vor allem als Angebot an Bürgerinnen und Bürger, Passantinnen und Passanten zu verstehen.

Alle ab 14 Jahren waren eingeladen, selbst die Perspektive zu wechseln, den Hügel zu erklimmen – mit vorheriger Buchung über das Reisebüro »Durchblick«. Denn Hasucha möchte nicht nur irritieren, sondern einen Wahrnehmungsraum schaffen und Menschen ermuntern, sich mit der eigenen Stadt auseinanderzusetzen, um vom Beobachter schließlich zum Handelnden zu werden. Seine Kunst versteht er als interaktiv und partizipatorisch. Kein besserer Ort als der Rathausplatz einer kleinen Stadt ließe sich dafür finden. Worum es Hasucha letztlich geht, ist die Bedeutung des Subjektiven in der Öffentlichkeit eines demokratischen Gemeinwesens. 

Der Kunstschaffende

Christian Hasucha, geboren 1955 in Berlin-Neukölln, studierte an der Hochschule der Künste, Berlin und an der Chelsea School of Art in London. Er lehrte unter anderem an den Akademien und Kunsthochschulen in Trondheim, Weimar, Berlin, London, Greifswald, Linz, Kassel und an der Bauhaus-Universität in Weimar. Seit vielen Jahren ist er Jurymitglied für Kunst im öffentlichen Raum in Berlin. Neben Ausstellungen in Galerien und Kunstvereinen zeigte er seine Arbeiten international in Museen und bei Biennalen. Permanente Arbeiten im Bereich Kunst-am-Bau und Kunst im öffentlichen Raum finden sich in Kamen, in Paderborn und mehrfach in Berlin. 

Daten & Fakten

Ort

Am Laien, Rathausplatz

Zeitraum

25.9.–18.10.2020
10:00–20:00 Uhr