Bad Boll

Symposium »Die überwachte Gesellschaft«
12.10.2020

Zum Festivalthema »Unter Beobachtung. Kunst des Rückzugs« veranstaltete die KulturRegion Stuttgart in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Bad Boll ein eintägiges Symposium, das sich mit der zunehmenden Überwachung des Individuums in einer digitalisierten Gesellschaft beschäftigte.

Durch neue Technologien und Big Data werden wir immer transparenter, unser Handeln im digitalen Raum wird ständig überwacht und analysiert. Dabei drohen die Grenzen zwischen privat und öffentlich völlig zu verwischen. Im Internet gibt es keinen Ort, an dem wir unbeobachtet sind. Was sind die Konsequenzen dieser Entwicklung hin zur lückenlosen Datensammlung über unser Leben? Verhelfen uns Algorithmen wirklich zu mehr Wissen und Erkenntnis oder bedrohen sie unsere Selbstbestimmung? Und wer übernimmt Verantwortung, wenn Maschinen entscheiden?

Ein interdisziplinär zusammengesetztes Podium widmete sich diesen Fragen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Das Publikum war eingeladen mitzudiskutieren.

Der Künstler Florian Mehnert behandelt in seinen Arbeiten und Aktionen gesellschaftspolitische Themen von Big Data, Kontrolle und der »Algorithmisierung unseres Lebens«. Die Aktivistin und Bürgerrechtlerin Katharina Nocun untersucht das Abgreifen von Daten durch Großkonzerne und schlägt Strategien vor, wie wir uns dagegen wehren können. Katja Mayer, Soziologin und Philosophin, forscht und lehrt über ethische Herausforderungen von Informatik und Gesellschaft und plädiert für Offene Daten und eine verantwortungsvolle Wissenschaft.

Der Politikwissenschaftler und Journalist Adrian Lobe referierte über seine Untersuchungen zur »Gesellschaft im Datengefängnis« und der Schriftsteller Artur Dziuk las aus seinem Buch »Das Ting«, einer Utopie über eine alle Lebensbereiche kontrollierende App, die eines Tages durchaus Realität werden könnte. Als Moderator konnte der Professor für Journalistik des Fachbereichs Medienwirtschaft Stephan Ferdinand, Hochschule der Medien Stuttgart, gewonnen werden.

Programm

10:00 Uhr Begrüßung

Hans-Ulrich Gehring
Studienleiter, Ev. Akademie Bad Boll

10:15 Uhr Florian Mehnert

Vortrag
»Dataismus versus Freiheit – Die Algorithmisierung unseres Lebens«

11:15 Uhr Katharina Nocun

Vortrag/Lesung (per Live-Stream)
»Die Daten, die ich rief«

12:00 Uhr

Mittagessen

13:15 Uhr Katja Mayer

Vortrag (per Live-Stream)
»Offene Daten für eine verantwortungsvolle Wissenschaft«

14:00 Uhr Adrian Lobe

Vortrag/Lesung
»Speichern und Strafen.
Die Gesellschaft im Datengefängnis«

15:00 Uhr

Kaffeepause

15:45 Uhr Artur Dziuk

Lesung
»Das Ting«

16:30 Uhr

Podiumsdiskussion

17:30 Uhr

Abendessen

Moderation

Stephan Ferdinand

Die Referent*innen

Florian Mehnert setzt sich in seinem international vielfach beachteten Werk mit der hochtechnologischen, stark beschleunigten Realität auseinander. So verwanzte er etwa in seinem Kunstprojekt »Waldprotokolle« als Statement zur NSA-Affäre Wege und Lichtungen in Wäldern mit Mikrofonen, die vorbeigehende Passanten abhörten.

Katharina Nocun ist Bürgerrechtlerin, Netzaktivistin und studierte Ökonomin. Sie leitete bundesweite Kampagnen zum Thema Datenschutz, Whistleblowing und Bürgerrechte. Sie klagt derzeit gegen mehrere Überwachungsgesetze vor dem Bundesverfassungsgericht und erzwang mit einer Beschwerde bei der EU-Kommission ein neues Bundesdatenschutzgesetz.

Katja Mayer arbeitet als Soziologin an der Schnittstelle von Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft. Als Elise Richter Fellow an der Universität Wien forscht und lehrt sie zu offenen sozialwissenschaftlichen Praktiken. Zur Zeit beschäftigt sie sich intensiv mit Computational Social Science und Big Data und den Praktiken rund um Open Research Data.

Adrian Lobe hat in Tübingen, Paris und Heidelberg Politik- und Rechtswissenschaften studiert und arbeitet als freier Journalist für verschiedene Zeitungen. Für seine Artikel über die gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Journalistenpreis der Stiftung Datenschutz.

Artur Dziuk studierte u.a. Literarisches Schreiben an der Universität Hildesheim. Er war Herausgeber der Zeitschrift für junge Literatur »Bella triste« und gehörte zur Künstlerischen Leitung des Festivals für junge Literatur »Prosanova«. Artur Dziuk gilt als eines der neuen jungen literarischen Talente. »Das Ting« ist sein erster Roman.

Stephan Ferdinand ist Direktor des Instituts für Moderation und Professor für Journalistik an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Davor arbeitete er 14 Jahre als Reporter, Moderator und Fachredakteur bei Hörfunk und Fernsehen vorwiegend öffentlich-rechtlicher Anstalten. Ferdinand moderiert regelmäßig Podien zu gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Themen.

Daten & Fakten

Adresse

Evangelisches Tagungszentrum Akademie Bad Boll
Südflügel 3
Akademieweg 11
73087 Bad Boll

Teilnahmegebühr

27,70 €  (inkl. Verpflegung)