Kunstprojekt "Rapid Manufacturing" von Hannah Weinberger beim Festival „Unter Beobachtung“ der KulturRegion Stuttgart 2020

Schwäbisch Gmünd

Hannah Weinberger: »Rapid Manufacturing«

Wie ein Leitmotiv ziehen sich Tonsysteme durch das Werk der Schweizer Künstlerin Hannah Weinberger. Dazu kommen Kollaborationen und die Beteiligung vieler, die charakteristisch für ihre Werke sind. Besucherinnen und Besucher sind passiv oder aktiv immer Teil der komplexen Klanginstallationen. Ihre Arbeiten stützen sich dabei auf das Potenzial des Klangs in seinen unterschiedlichsten Facetten und auf die Eigenschaften der Räume.

Für die Johanniskirche in Schwäbisch Gmünd entwickelte Weinberger die Arbeit »Rapid Manufacturing« mit dem Ingenieur der Organola, Klaus Holzapfel, und dem Schweizer Sound-Spezialisten Rocket Science. Holzapfel konstruierte eine Maschine, die vollautomatisch und ohne größere Eingriffe die Orgel fast jeder Kirche spielen kann. Die Künstlerin bediente sich dieses Automaten und erweiterte ihn mit ihrem eigenen Tonsystem. Dabei handelt es sich um einen digitalen Algorithmus, der im Zufallsprinzip einen endlosen Soundtrack produziert. Die Welt in einer Orgel. Die Länge und die Auswahl der einzelnen Sequenzen erfolgen nach dem Zufallsprinzip. So entsteht eine Stimmung, die nicht gleichstufig ist, sondern vielfältig.

Die Wechsel zwischen Stimmung und Tonsystem kann ein Mensch nicht spielen, der Algorithmus vermag jedoch eine Komposition zu schaffen, die verschiedene Kulturen und ihre musikalischen Traditionen zusammenbringt. Und auch die spezifische Klangfarbe der Orgelpfeifen spielt eine Rolle. Das leichte Rauschen beim Anblasen wird Teil dieser endlosen Symphonie. Auf diese Weise inszenierte die Künstlerin ein Live-Konzert, das für die Dauer der Ausstellung stattfand und jedes Mal unterschiedlich war. 

Es war das erste Mal, dass Weinberger mit einer Orgel arbeitete. Ebenso wichtig war ihr aber das Gebäude, in dem die Orgel spielte. Der Sakralbau wurde zu einem lebendigen Ort der Musik, die Steinskulpturen zu permanenten Zuhörern und irgendwie, wie die Besucherinnen und Besucher selbst, zu Akteuren in diesem ›Konzert‹. Bewegte man sich durch die Kirche, veränderte sich der Klang dieses mächtigen Instruments. Auch damit spielte die Künstlerin, denn sie lud dazu ein, nicht nur zu hören, sondern sich zu bewegen und sich auf den Klang und das Gebäude einzulassen – eine stimmungsvolle Atmosphäre, in der sich Vertrautes und Unbekanntes gegenseitig überlagerten.

Die Kunstschaffende

Hannah Weinberger, geboren 1988 in Filderstadt, studierte an der Züricher Hochschule der Künste. Sie lebt und arbeitet als Performance- und Medienkünstlerin in Basel. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf raumgreifenden, audiovisuellen Installationen, die weltweit in verschiedenen Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen waren. Weinberger ist Preisträgerin des Swiss Art Awards (2019), des Kiefer Hablitzel-Preises (2017) und des Dr. Georg und Josi Guggenheim-Preises (2016). Sie ist Vorstandsmitglied der Kunsthalle Basel und Dozentin am Kunst-Institut der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel.

Daten & Fakten

Ort

Johanniskirche
Johannisplatz 1
73525 Schwäbisch Gmünd

Zeitraum

26.9.–18.10.2020

Di−Fr 13:30−16:30 Uhr
Sa und So 11:00−17:00 Uhr